Buchempfehlung Buchempfehlung
In lockerer und allgemeinverständlicher Atmosphäre gibt Prof. Dietrich Grönemeyer seine teils sehr persönlichen Eindrücke und Erfahrungen mit den verschiedensten Heilpraktiken des Altertums wieder, die bis in die heutige Zeit hinein Bestand haben und sich neben der wissenschaftlich basierten, modernen Medizin über teils tausende Jahre weiterentwickelt haben. In ständiger Auseinandersetzung mit dem mehr und mehr automatisierten, anonymisierten und sich von der Beschäftigung mit dem einzelnen Individuum entfernenden Praxisalltag schafft er zwischen den Zeilen eine kritische Betrachtung zwischen teils abgehobenen fortschrittlichen Behandlungsmethoden und dem, woraus sie eigentlich erwachsen sind. Die Rückbesinnung auf die Wurzeln allen Heilens, die weltumspannenden, scheinbar unterschiedlichen Praktiken, die sich in ihrer Basis für den Leser doch immer wieder vereinen, sollte Ausgangspunkt dafür sein, eine Symbiose allen Wissens zu schaffen, ohne eine der bestehenden Seiten zu diffamieren. Und so wird bewusst, dass eine zunehmend schneidende und pillenverordnende Medizin (weil scheinbar effizienter und monetär lukrativer) ob ihrer Erfolge zwar nicht gänzlich wegzudenken ist, ihr aber auch die Nachhaltigkeit verloren geht, weil sie sich oft an Symptomen, dem Zwang zu schnellen Erfolgen und der reinen Materialität des Körpers orientiert. Die Einheit von Körper, Geist und Seele aber wird eher in den alten, oft naturheilkundlich basierten Heilmethoden praktiziert, die unabhängig von zeitlichem Druck durch die Gesamtheit aller Elemente das einzelne Individuum als Ganzes erfassen. Der Heilungserfolg stellt sich ein, weil der Mensch als Mensch betrachtet wird, zur Selbsterkenntnis geführt, heilt er sich durch notwendige Veränderungen in seinem Leben auch selbst, begleitet vom Heiler, Schamanen, Yogi, Arzt… Ein sehr schönes Buch voller persönlicher Eindrücke mit einem reichhaltigen Überblick sowie der Absicht, eine Harmonie zwischen den unterschiedlichen Behandlungsmethoden herzustellen und den Leser dazu anzuregen, über einige der wenigen, wirklich wichtigen Dinge im Leben nachzudenken, erschienen im S. Fischer Verlag, ISBN 978-3-10-027306-2 - Kommentar Thomas Klemp 2019 -
Ein zeitgemäßes Buch über die Unzeit - wichtig, schonungslos ehrlich und, passend in die Zeit, schon zerrissen vor der Publikation - unbedingt lesenswert. Bei mir hat es alle emotionalen Ebenen angesprochen: Wut, Hass, Trauer, Hoffnungslosigkeit, aber auch Freude, Mut und den Willen zum Widerstand. Ich fühlte mich erhört und verstanden. Es ist kein Buch für die ewig Gestrigen, die Klammerer, Besitztumswahrer hinter ihren hohen Mauern und keines für Sprutze, die als Besserwisser ohne Lebenserfahrung alles und sofort auf den Kopf stellen wollen. Dieses Buch zeigt die ganze Zerrissenheit der Gesellschaft. Da steht auf dem Einband: „Es geht nicht um Einzelfälle. Es geht um Symptome einer um sich greifenden Psychose. Manchmal denke ich, die Gesellschaft dreht durch.“ Mir bleiben im Gedächtnis eingebrannt: „Da draußen ist ein Monster.“ und „Die Kannibalisierung hat begonnen.“ Wie sollen in einer solchen Welt der Prostitution weniger guter und massenhaft negativer Gedanken, letztere oft haltlos, schlecht recherchiert, unterstellt, von Halbwahrheit und Lüge geprägt, Empathie, Vertrauen und Liebe wachsen? Was macht das mit uns und wer will, dass es das mit uns macht? Achtsamkeit, Demut, Aufmerksamkeit, Verständnis, Kommunikation auf Augenhöhe - all das scheint manchmal wie aus einem Märchen. Vernichtung scheint das Ziel und nicht mehr die Frage nach dem Warum. Es ist wie eine Hysterie, die nicht zu heilen ist. Dieses Buch muss gelesen werden, auch zwischen den Zeilen. Es macht mehr als nachdenklich. Man schwankt zwischen Hoffnung und Verlust innerhalb der unbarmherzigen Kritik unserer Zeit. Wer dieses Buch kritisiert, hat verloren, ist schon verloren. Luchterhand, Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, ISBN 978-3630877419 - Kommentar Thomas Klemp 2023 -
Dieses Buch habe ich wohl ein Dutzend Mal verschenkt. Schon nach den ersten Seiten des Lesens. Die meisten meiner Freunde lasen es zur Bestätigung, nicht um grundsätzlich etwas Neues zu lesen. Mit Aufmerksamkeit und klarem Blick ist bekannt, welchen Einfluss Medien auf uns nehmen und dabei Meinungsbilder nahezu beliebig kreieren und wieder sterben lassen. Auch dieses Buch von Precht und Welzer wurde im Vorhinein - wie kann es anders sein - medial zerrissen, ohne den genauen Inhalt zu kennen. Viele Beispiele und Analysen belegen die Macht der vierten Gewalt. Diese Macht kann jedoch nur funktionieren, wenn wir uns in der Konfrontation mit ihr ergeben. Sapere aude! Emanuel Kants Spruch, den Mut zu haben, seinen eigenen Geist zu benutzen, ist aktueller denn je. In einer Welt von heiligen Scheinheiligen sind Wahrheit, Halbwahrheit und Lüge oft nicht mehr voneinander zu trennen und es entsteht ein gesellschaftlicher Geist, der sich nicht mehr primär mit der Sache an sich in respektvoller Diskussion beschäftigt, sondern in der Diffamierung des Gegenübers mit Behauptungen sowie Unterstellungen fern jeglicher Realitäten ergießt. Es geht nicht mehr um Erkenntnis, nur noch um Sieg. Der gesellschaftliche Diskurs zum allseitigen Vorteil und im einvernehmlichen Kompromiss liegt im Sterben. Diffamierung, Insultation sind auf dem Vormarsch und es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, sich der einfallenden Meute immer Gleichdenkender im vermeintlichen Lichte eines Mainstreams zu erwehren. Jede Nachricht wird zeitgleich mit einem Kommentar zertifiziert, der die Denkrichtung vorgibt und Andersdenkende gesellschaftlich ächtet. Ein Buch gerade noch zur rechten Zeit? Aus dem Buchumschlag zitiert: `Wie Leitmedien über große Geschehnisse, inbesondere Krisen, berichten und sie bewerten, gleicht sich oft auf erstaunliche Weise. So entsteht häufig der Eindruck, die Leitmedien in Deutschland seien von der Regierung manipuliert. Tatsächlich aber hat die heutige Selbstangleichung der Medien mit einer gelenkten Manipulation nichts zu tun. Vielmehr finden wir hier die ganz eigenen Echokammern einer Szene vor, die vor allem darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schreibt, ängstlich darauf bedacht, bloß nicht zu sehr davon abzuweichen, Wenn sich dieser Konformismus heute immer stärker der Stilmittel bedient, die aus den Direktmedien stammen und die journalistische Qualität beeinträchtigen, wird es für die Demokratie gefährlich.` S. Fischer Verlag, ISBN 978-3-10-397507-9 - Kommentar Thomas Klemp 2023 -
Wir müssen in der Gesellschaft wieder ein Gefühl für den tieferen Sinn des Lebens wecken. Dass so viele Menschen in ihrem Leben unglücklich sind, sollte uns Hinweis dafür sein, dass Erfolg alleine nicht reicht. Es ist seltsam, aber der materielle Erfolg hat uns in den seelischen und moralischen Bankrott geführt. Ben Okri, Oktober 2008 Tim Jackson, ein 1957 geborener, renommierter britischer Natur- und Wirtschaftswissenschaftler, beschreibt in seinem Buch „Wohlstand ohne Wachstum“ Auswüchse und Grenzen des auf stetigem Wachstum beruhenden kapitalistischem Wirtschaftssystems. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, stellt er dezidiert und fundiert unsere Art des Lebens in einer Welt endlicher Ressourcen in Frage und zeigt, wie ein einzig auf Wachstum, Profit und Konsum ausgerichtetes System die Grundlagen jeglicher Menschlichkeit und damit die Menschen selbst zerstört. Er verknüpft dabei ökonomische Prozesse auch mit ökologischen Aspekten ohne selbst ein Patentrezept als Weg aus der Krise präsentieren zu können. Und trotzdem gewinnt der Leser einen Eindruck von und Einsicht in Lösungsmöglichkeiten aus dem Dilemma mit kritischem Blick auf die manchmal lieb gewordenen kleinen täglichen Herausforderungen durch: Hinterfragung, Verzicht, Verteilung, Bodenständigkeit, Vertrauen, Empathie und sehr viele andere Faktoren. Für den etwas anspruchsvolleren Leser geschrieben, wird man spätestens hier im Nachhinein nicht mehr mit dem Finger zuerst auf andere zeigen, sondern in den vielen kleinen Dingen des Alltags selbst anfangen, Veränderungen umzusetzen. Und nur so kann es funktionieren. oekom verlag, ISBN 978-3865814142 - Kommentar Thomas Klemp 2019 -
„Die neoliberalen Transformationsprozesse haben unmittelbar spürbare negative Folgen vor allem für diejenigen, die zum unteren Bereich der Einkommens- und Vermögensskala gehören; ihre längerfristigen Folgen betreffen uns alle, da diese Prozesse unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Da dies der Bevölkerung nicht verborgen bleibt, lässt sich das neoliberale Projekt auf demokratischem Wege nicht ohne eine massive Manipulation des Bewusstseins durchsetzen. Eine systematische Erzeugung gesellschaftlicher Ängste spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Aus machttechnischer Sicht haben Ängste den Vorteil, dass sie leicht zu erzeugen sind und sehr viel tiefergehende psychische Auswirkungen auf unser Handeln und unser Nichthandeln haben als beispielsweise Meinungen. Durch eine systematische Erzeugung geeigneter Ängste lassen sich Denken und Handeln sehr viel wirksamer steuern als mit traditionellen Techniken eines Meinungsmanagements. Da Angst in der menschlichen Evolutionsgeschichte ein Wirkfaktor ist, dem bei der Regulierung sozialer Beziehungen und bei der Errichtung sozialer Ordnungen eine wichtige Rolle zukommt, lässt sich genau diese Funktion auch manipulativ zur Sicherung von Herrschaft nutzen.“ (aus dem Inhalt) Angst vor Jobverlust, Krankheit (gerade jetzt Coronavirus), Angst vor Leid, Krieg, sozialer Isolation, dem Tod usw. - wer hat sie nicht schon gehabt und in welchem Maße beeinflusst sie uns, unser Denken und Handeln, in welchem Maße bremst sie uns aus, erklären wir uns dabei zu unserem eigenen Feind, weil erst die anderen Schuld haben, letztlich wir aber die Versager sind? Und wie weit ist das eigentlich wahr, was uns täglich an Nachrichten erreicht, beeinflussbar durch uns und welche Wichtigkeit hat es überhaupt? Ist das Maß an Angst, das wir spüren, normal, evolutionsbestimmt oder wird es künstlich und unsichtbar befeuert, um uns zu lähmen? - Ein Buch als Offenbarung gesellschaftlicher Indoktrination und Manipulation mit vielen Antworten auf viele Fragen, eines der besten, das ich in den letzten Jahren las und ein Autor Rainer Mausfeld (emeritierter Professor der Universität Kiel, Lehrstuhl für Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung), der es an Klarheit und Verständlichkeit in gesellschaftskritischer Manier und mit einem Hauch marxscher Grundeinstellung nicht mangeln, eher krachen lässt… WESTEND Verlag, ISBN 978-3-86489-281-3 - Kommentar Thomas Klemp 2020 -
Fahrenheit 451 Roman von Ray Bradbury Das 1953 erschienene Buch eröffnet eine dystopische Science-Fiction-Handlung von der man hofft, noch weit entfernt zu sein, und doch ist sie unserer Zeit näher, als es uns lieb sein könnte. Feuerwehrmänner überwachen und vernichten Bücherbesitz, verbrennen letzte existierende Exemplare, die Häuser in denen sie versteckt wurden und auch die Menschen, die sie zu retten versuchten. Die Stadt der Zukunft ist frei von Natur, frei von sich miteinander beschäftigenden Menschen, frei von Empathie, Liebe und allem, was das Leben wert macht, es zu leben. Die Einwohner werden bespielt in Vergnügungsparks und mittels nichtssagender Shows auf wandgroßen heimischen Monitoren. Anteilnahmslos nehmen sie die Tötung Andersdenkender hin und lassen sich manipulieren, während über ihren Köpfen hinweg pausenlos Bomber in den dritten Atomkrieg fliegen. Doch ein Feuerwehrmann bricht aus… DIOGENES Verlag, ISBN 978-3257071405 - Kommentar Thomas Klemp 2021 -
Und schon wieder Juli Zeh… Ich kann meine absolute Sympathie für den Schreibstil und vor allem die wiederholte Beschäftigung mit Themen nicht verhehlen, die einen deutlichen und aktuellen Bezug zur gesellschaftlichen Entwicklung haben. Das erfordert Sachkenntnis und Mut zur Umsetzung. Die Suche nach beidem in der heutigen Zeit kann sich schon als anstrengend erweisen. WIKIPEDIA beschreibt den Inhalt wie folgt: `Corpus Delicti behandelt die Problematik einer Gesundheitsdiktatur in naher Zukunft am Beispiel einer Herr- schaftsform, die einen Unfehlbarkeitsanspruch erhebt. Juli Zeh greift Entwicklungen der heutigen Zeit auf, führt sie weiter und nimmt sie als Grundlage eines Staates, den sie Methode nennt. Der Roman warnt den Leser vor kritischen Entwicklungen der heutigen Gesellschaft und appelliert an seine Mündigkeit und Eigenverantwortung.` Als Arzt ist es erschrenkend für mich, wie nah dran wir mittlerweile an einer Gesundheitsdiktatur sind: Dauerhafte Kontrollen und Überwachung gerade auch mit Blick auf eine ständig wirtschaftlich effiziente Therapie, Standardisierung der ärztlichen Behandlung mit Eröffnung nur weniger Schubladen, in die die meisten Patienten mittlerweile nicht mehr passen, alleinige Fokussierung auf manuelle und pharmakokinetische Therapie, statt zusätzlich mentale und seelische Betreuung des Patienten, gläserne Menschen, deren Daten in Unmengen mittlerweile gespeichert werden und so zu einem Missbrauch einladen, Einengung der ärztlichen Therapie durch Budgetierung und Honorarverfall, die eine Medizin auf dem Niveau der Zeit mehr und mehr torpedieren und nur noch einzelnen Menschen Privilegien verabreichen, weil sie finanziell dazu in der Lage sind. Hippokrates würde sich im Grabe umdrehen… btb Verlag, ISBN 978-3442740666 - Kommentar Thomas Klemp 2021 -